Ein Gespräch mit Werner Mai, Leiter der Bautechnik bei alsecco.
Herr Mai, vor wenigen Wochen stand ein Medienbericht im Blickpunkt, der das Thema Fassadendämmung kritisch unter die Lupe nahm – insbesondere die Sicherheit im Brandfall. Halten Sie den Beitrag aus fachlicher Sicht für gerechtfertigt?
WERNER MAI: Nein, absolut nicht. Hier wurden jahrzehntelange, umfangreiche und sehr positive praktische Erfahrungen beim Einsatz von Fassadendämmsystemen und auch wissenschaftliche Erkenntnisse renommierter, unabhängiger Forschungsinstitute eindeutig verkannt oder zumindestens in weiten Teilen nicht angemessen in die Bewertung einbezogen.
Dennoch hat der Beitrag Aufmerksamkeit erregt und Fragen aufgeworfen!
WERNER MAI: Das ist richtig und ich sehe das durchaus positiv. Denn auch dieser Beitrag fordert uns geradezu heraus, eine der wichtigsten Zukunftsfragen erneut aktiv und offen zu diskutieren. Und er zwingt uns als Hersteller, aber auch alle anderen Beteiligten, die sich das Thema Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben haben, erneut klar Stellung zu beziehen, und zu sagen, wohin die Reise gehen soll. Denn bei der Fassadendämmung geht es primär nicht nur darum, alten Häusern ein schönes neues Outfit zu geben. Es geht vielmehr um Energieeinsparung im ganz großen Stil. Über 60 Prozent der Energie in Deutschland wird in Gebäuden verbraucht. Mit modernen Fassadendämmsystemen bieten wir definitiv eine bewährte und sehr effektive Technologie, um notwendige Einsparungen in den kommenden Jahrzehnten umfassend zu realisieren und Gebäude gleichzeitig mit hohem architektonischen Anspruch zu gestalten. Diese Chance nicht zu nutzen, halte ich für unverantwortlich.
Nun wurde gerade auch die Effektivität in Frage gestellt. Wie hoch ist die Heizkostenersparnis durch Fassadendämmsysteme tatsächlich?
WERNER MAI: Praxiserfahrungen zeigen, dass die energetische Sanierung mit Fassadendämmsystemen zu deutlichen Heizkosteneinsparungen führt. Wie hoch sie im Einzelfall sind, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Vom Zustand des Gebäudes insgesamt, von weiteren baulichen Sanierungsmaßnahmen, vom Nutzerverhalten und von der Entwicklung der Energiepreise. Und die werden in Zukunft weiterhin steigen. Fest steht: Optimale Ergebnisse werden immer dann erzielt, wenn die Fassadendämmung in ein energetisches Gesamtkonzept eingebettet ist, das auch die Fenster und die Gebäudetechnik einbezieht. Ebenso wichtig ist die fachgerechte Ausführung. Die Deutsche Energie-Agentur dena hat bei solchen Komplettsanierungen im Rahmen von Modellprojekten eine Reduzierung des Energieverbrauchs der Gebäude um 70 Prozent nachgewiesen. Das sind natürlich Spitzenwerte. Aber sie sind technisch machbar. Aus unseren langjährigen Erfahrungen wissen wir zudem, dass sich Fassadendämmsysteme selbst bei Einsparungen zwischen 30 und 50 Prozent, die in der Regel erzielt werden, nachhaltig rechnen. Damit zählt die Fassadendämmung zu den wirtschaftlichsten Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung überhaupt.
Wie sieht es aus bei dem Thema Brandschutz? Sind Fassadendämmsysteme mit Polystyrolhartschaum (EPS) sicher?
WERNER MAI: Ich denke, niemand wird bestreiten, dass das deutsche Baurecht auch in puncto Brandschutz extrem hohe Anforderungen stellt. Jeder Hersteller muss im Rahmen dieser strengen gesetzlichen Vorschriften die Sicherheit seiner Systeme umfassend nachweisen. Genau das ist auch bei Fassadendämmsystemen der Fall und eine unverzichtbare Voraussetzung für die Zulassung eines Systems. Alles wird zugleich sichergestellt durch eine kontinuierliche Eigen- und Fremdüberwachung durch unabhängige Prüfinstitute. Und speziell im Hinblick auf den Brandschutz bei schwerentflammbaren Fassadendämmsystemen mit EPS hat erneut auch noch einmal das Deutsche Institut für Bautechnik DIBt, das in Deutschland für die Beurteilung des Brandverhaltens von Baustoffen und Bauteilen zuständig ist, zweifelsfrei festgestellt, dass alle bisher zugelassenen WDV-Systeme die bauaufsichtlichen Anforderungen umfassend erfüllen und sicher sind.
Besteht nicht dennoch die Notwendigkeit den Brandschutz beim Einsatz schwerentflammbarer Fassadendämmsysteme mit EPS weiter zu optimieren?
WERNER MAI: Natürlich darf es und wird es bei der Weiterentwicklung von Wärmedämm-Verbundsystemen und speziell bei der Verbesserung des Brandschutzes keinen Stillstand geben. Wir haben es mit komplexen bautechnischen Systemen zu tun. Und wie jede andere Technologie auch, unterliegen sie einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Nur möchte ich noch einmal festhalten: Beim Brandschutz werden mit schwerentflammbare EPS-Systemen bereits sehr hohe Standards erfüllt. Und die werden sichergestellt durch bauaufsichtlich zugelassene und sorgfältig aufeinander abgestimmte, geschlossene Fassadendämmsysteme, die durch versierte Handwerker fachgerecht an die Wand gebracht werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dann sind Bauherren mit schwerentflammbarern EPS-Systemen auch beim Brandschutz auf der sicheren Seite.
Enorm wichtig für die Beurteilung der Effektivität von Fassadendämmsystemen ist auch die Wertbeständigkeit. Wie langlebig und widerstandsfähig sind Fassadendämmsysteme?
WERNER MAI: Wir wissen heute, dass die Lebensdauer von Wärmedämm-Verbundsystemen sogar wesentlich höher ist, als viele seriöse und der Technologie gegenüber durchaus aufgeschlossene Fachleute bisher angenommen haben. Wissenschaftlich belegt durch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik gehen wir inzwischen davon aus, dass die Lebensdauer von Wärmedämm-Verbundsystemen die bislang gerechneten 35 Jahre deutlich übersteigt. In regelmäßigen Abständen haben die Wissenschaftler seit 1974 zahlreiche gedämmte Gebäude genauestens inspiziert – darunter auch Objekte, deren Fassadendämmung heute 40 Jahre alt oder noch älter ist. Ergebnis: Alle Gebäude waren bei der letzten Inspektion im Jahr 2004 bei weitem nicht am Ende ihrer Lebensdauer angelangt.
Sind diese Wärmedämm-Verbundsysteme immer noch voll funktionsfähig?
WERNER MAI: Gemessen an den damals geforderten Energieeinsparungen sind sie das auf jeden Fall. Nicht von ungefähr hat es in den zurückliegenden 50 Jahren bei alten Wärmedämm-Verbundsystemen - abgesehen von Erneuerungen der Putz- und Farbbeschichtungen - nie eine größere Sanierungs- oder sogar Abrissswelle gegeben. Ganz im Gegenteil: Um die heute bei Sanierungen im Bestand geforderten energetischen Standards zu erzielen, werden die alten Systeme in der Regel aufgedoppelt, weil die erste Dämmschicht immer noch voll funktionsfähig ist.
Hat der umfangreiche Einsatz von Wärmedämm-Verbundsystemen in den zurückliegenden Jahrzehnten tatsächlich zu den prognostizierten Energieeinsparungen geführt?
WERNER MAI: Durchaus. Wenn man berücksichtigt, dass allein in Deutschland in den letzten 50 Jahren rund 840 Millionen Quadratmeter Fassadendämmsysteme verlegt wurden, was nach Berechnungen von Fachleuten zu einer Einsparung von circa 140 Milliarden Liter Heizöl oder vergleichbarer fossiler Energieträger geführt hat und einer Schadstoffreduzierung von 700 Millionen Tonnen CO2 entspricht, dann sind das nicht nur beeindruckende Zahlen, sondern ein Beleg für die dauerhafte Wirksamkeit der Fassadendämmung. Dabei ist die Lebensdauer von Fassadendämmsystemen bei sachgerechter Verarbeitung, Wartung und Instandhaltung gleichzusetzen mit der von bewährtem verputztem Mauerwerk. Nicht zu vergessen: In den vergangenen Jahren hat es einen gewaltigen Innovationsschub im Bereich der Fassadentechnik gegeben. So konnte auch die Wertbeständigkeit und Widerstandsfähigkeit der Oberflächen zum Beispiel durch den Einsatz innovativer Carbontechnologie nochmals deutlich optimiert werden.