Wer Wohnraum vermietet, handelt mit einem der wichtigsten Güter überhaupt, denn er bietet Menschen nicht mehr und nicht weniger als ein sicheres Zuhause. Dieser Verantwortung sollten sich Vermieter stets bewusst sein. Das sagt Willi Hullmann, Vorstandsvorsitzender der Kölner Wohnungsgenossenschaft eG. Mit Investoren, die nur auf die schnelle Rendite schielen, geht er deshalb hart ins Gericht.
AFACE: Herr Hullmann, die Herausforderungen der Wohnungswirtschaft sind heute vielfältiger denn je. Demografischer Wandel, Fluktuation, neue bauliche Standards und – abhängig von der Finanzkraft der Mieter – immer differenziertere Ansprüche in puncto Ausstattung und Lage. Müssen sich Wohnungsunternehmen in Zukunft stärker mit dem Thema Markenführung befassen, um im Wettbewerb zu bestehen?
WILLI HULLMANN: Selbstverständlich. Wir haben zwar in den wirtschaftlich aufstrebenden Ballungsräumen und größeren Metropolen wie Berlin, München, Hamburg oder hier in Köln aufgrund der starken Nachfrage derzeit einen Vermietermarkt. Aber kein Unternehmen sollte sich darauf ausruhen. Die Zeiten, in denen Wohnraum einfach nur zugeteilt wurde, sind endgültig vorbei. Für Unternehmen, die in strukturschwachen Regionen von Leerstand und hoher Fluktuation betroffen sind, gilt das ohnehin. Wer als Anbieter von Wohnraum langfristig, vorausschauend und marktorientiert plant, verfolgt deshalb auch eine Differenzierungsstrategie. Bei uns ist das definitiv der Fall.
AFACE: Wie würden Sie denn das Profil der Kölner Wohnungsgenossenschaft beschreiben?
»Die Zeiten, in denen Wohnraum einfach nur zugeteilt wurde, sind endgültig vorbei.«
WILLI HULLMANN: Wir wollen den Menschen hier in Köln lebenswerte, gut ausgestattete Wohnungen zu bezahlbaren Mieten anbieten. Vertrauen, Verlässlichkeit, guter Service und menschliche Nähe sind dabei Werte, zu denen wir uns gerne bekennen. Und an diesem Anspruch lassen wir uns selbstverständlich auch messen.
AFACE: Welche Anforderungen verbinden sich damit in der täglichen Arbeit? Was macht Ihr Unternehmen anders?
WILLI HULLMANN: Eigentlich könnten diese Fragen am besten unsere Mieter beantworten. Überwiegend sehr langfristige Mieter übrigens. Einige Familien sind über Generationen bei uns. Aber okay. Natürlich gibt es Dinge, auf die wir großen Wert legen. Wie gesagt: Vertrauen und Verlässlichkeit sind wichtig, aber auch Stabilität, Berechenbarkeit und Kontinuität. Wohnen repräsentiert für uns alle ein exklusives und sehr privates Territorium. Wer Wohnraum vermietet, handelt deshalb mit einem der wichtigsten Güter überhaupt, denn er bietet Menschen nicht mehr und nicht weniger als ein sicheres Zuhause. Dieser Verantwortung sollten sich Vermieter stets bewusst sein.
AFACE: Aber müssen sich Wohnungsunternehmen deshalb auch als starke und verlässliche Marken präsentieren?
WILLI HULLMANN: Sicherlich. Die Frage ist nur, wie sie das konkret anstellen. Ich betrachte dieses Thema – jedenfalls für unser Unternehmen – weniger als eine Aufgabe der Imagepflege. Das ist mir zu vordergründig. Nein, es geht um das Innenleben, um Wohnqualität, also um das, was unsere tägliche Arbeit, unser tägliches Miteinander wirklich ausmacht. Natürlich machen auch wir in der Außendarstellung unsere Hausaufgaben. Eine wichtige Maßnahme war 2008 die Umfirmierung von GWG Köln-Nord Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Köln Nord eG zu Kölner Wohnungsgenossenschaft eG. Der Name ist kürzer und prägnanter. Wir haben unser Logo neu gestaltet und dabei unsere Verbundenheit mit der Stadt Köln hervorgehoben. Wir schalten Anzeigen und versuchen auf vielen Ebenen Präsenz zu zeigen. Aber das alles ist nur die Pflicht. Die Kür liegt in der Kommunikation mit unseren Mietern und natürlich darin, ihnen ein sicheres, lebenswertes und auch bezahlbares Zuhause zu bieten.
AFACE: Bezahlbares Wohnen, genau das ist für Mieter unterer Einkommensschichten in Städten wie Köln und anderen Metropolen inzwischen das größte Problem?
WILLI HULLMANN: Das ist leider so. In Köln wie auch in anderen Ballungsgebieten, in denen die Nachfrage groß ist, hat sich der Anteil der Sozialwohnungen in den zurückliegenden Jahrzehnten kontinuierlich reduziert. Und er wird sich in den nächsten Jahren weiter drastisch verringern, wenn nicht umfassend gegengesteuert wird. Ich halte das für eine krasse Fehlentwicklung.
AFACE: Welche Maßnahmen wären notwendig, um möglichst schnell mehr preiswerteren Wohnraum zur Verfügung zu stellen?
WILLI HULLMANN: Eine pauschale Lösung gibt es nicht, denn je nach Wirtschaftskraft stellt sich die Situation in den Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich dar. Denken Sie nur an einige Städte in den neuen Bundesländern, die seit der Wende 20 bis 30 Prozent oder sogar noch mehr ihrer Einwohner verloren haben. Dort gibt es keinen Nachfrageüberhang. Die Themen Leerstand, Rückbau, Instandhaltung und sogar Abriss stehen dort auf der Tagesordnung. Wir müssen aber nicht nur nach Ostdeutschland blicken. Auch für zahlreiche meiner Kollegen im Ruhrgebiet stellt sich die Ausgangslage ganz anders dar. Für uns in Köln gilt indes, zunächst kurzfristig einen größtmöglichen Erhalt bestehender preiswerter Wohnungen anzustreben. Wir als Genossenschaft versuchen unseren Beitrag zu leisten. Darüber hinaus brauchen wir nach meiner Überzeugung eine noch umfassendere, gezielte und langfristig angelegte soziale Wohnraumförderung. Köln hat mit dem Stadtentwicklungskonzept 2012 immerhin eine erste Weichenstellung getroffen und strebt bis 2030 den Neubau von jährlich 1.000 öffentlich geförderten Wohnungen an.
AFACE: Wie stellt sich die Mietkostenstruktur derzeit bei der Kölner Wohnungsgenossenschaft dar?
WILLI HULLMANN: Auf unseren gesamten Bestand von rund 2.700 Wohnungen gerechnet, beträgt die durchschnittliche Miete etwa 6 Euro pro Quadratmeter. Die Durchschnittsmiete in Köln ist inzwischen bei 9 Euro angelangt. Das Spektrum bei uns reicht von Quadratmeterpreisen von etwas mehr als 4 Euro bis hin zu 12 Euro für Neubauwohnungen mit sehr exklusiver Ausstattung. Letztere haben in unserem Bestand allerdings einen Anteil von nicht einmal 5 Prozent. Die Einnahmen helfen aber, die überwiegend deutlich günstigeren Wohnungen mitzufinanzieren. Da arbeiten wir ein wenig nach dem Robin-Hood-Prinzip. Im Übrigen bin ich auch sonst ein Verfechter unkonventioneller Lösungen, wenn sie denn weiterhelfen. Ein interessanter Ansatz wäre es zum Beispiel, wenn die Stadt verstärkt einige ihrer knapp werdenden Bauflächen zu speziellen Konditionen für die Schaffung preiswerter Wohnungen zur Verfügung stellen würde. Hier stelle ich mir eine einfache, langfristige vertragliche Lösung ohne komplizierte Förderrichtlinien vor. Dies müsste doch umzusetzen sein. Auch auf diesem Wege ist eine Förderung denkbar.
AFACE: Der bedeutsame Geschosswohnungsbau in den gefragten Großstädten zieht allerdings auch immer mehr internationale Investoren an. Wird das die Quadratmeterpreise noch weiter in die Höhe treiben?
WILLI HULLMANN: So ist es. Und das macht es für uns nicht leichter. Ich will nicht falsch verstanden werden. Natürlich brauchen wir das Engagement privater Investoren auch im Wohnungsbau. Besonders jener, die ihr Geschäft verstehen und es seriös, verantwortungsbewusst und mit langfristiger Perspektive betreiben. Neubau ist aber nur eine Seite der Medaille. Vielmehr noch stellt sich die Frage nach dem Umgang mit dem Gebäudebestand. Die massive Flucht in Betongold hat auch dazu geführt, dass inzwischen extrem finanzstarke, internationale Investorengruppen durchs Land ziehen und mit großen Wohnungsbeständen dealen, als handele es sich um ein Warentermingeschäft. Da wird dann nur noch kurzfristig geplant und auf die schnelle Rendite geschielt. Nicht selten zu Lasten der Mieter und der betroffenen Kommunen.
AFACE: Da wären wir wieder beim Thema Marke. Von solchen Wettbewerbern wollen Sie sich unterscheiden?
»Was die Wohnungswirtschaft
absolut nicht gebrauchen kann,
ist maßloses Gezocke und eine
ausgeprägte Geiz-ist-geil-Mentalität.«
WILLI HULLMANN: Ja. Aber das fällt uns nun wirklich nicht schwer. Ich will damit nur sagen: Wenn wir angesichts der anstehenden Aufgaben etwas absolut nicht gebrauchen können, dann ist es maßloses Gezocke und eine ausgeprägte Geiz-ist-geil-Mentalität in der Wohnungswirtschaft. Unsere Planungen sind ohnehin langfristig orientiert. Wir wollen bauliche Werte erhalten und durch gezielte Sanierungen den Wohnwert in unseren Quartieren erhöhen. Wir engagieren uns hier in Köln und fühlen uns dieser Stadt verpflichtet und natürlich unseren Mietern, um deren Anliegen und Belange wir uns mit dem notwendigen Respekt kümmern. Und wann immer möglich eben auch von Angesicht zu Angesicht. Direkter Kontakt und persönliches Engagement sind für mich ein absolutes Muss. Wer viel miteinander redet, hat weniger zu streiten. Das hat bislang sehr gut funktioniert.
AFACE: Die Kölner Wohnungsgenossenschaft hat in den zurückliegenden Jahren konsequent die energetische Sanierung ihres Wohngebäudebestandes vorangetrieben. Gibt es Reaktionen Ihrer Mieter auf die teilweise kritische Berichterstattung zum Thema Brandschutz und Fassadendämmung?
WILLI HULLMANN: Von Mieterseite hat es bislang keine einzige Anfrage gegeben. Was mich ehrlich gesagt auch nicht verwundert. Wir haben in den zurückliegenden Jahren etwa 60 Prozent unseres gesamten Wohnungsbestandes energetisch mit Fassadendämmsystemen saniert. Probleme in dieser Hinsicht hat es nie gegeben, ONE HOURgeschweige denn einen Schadensfall. Dennoch, wir nehmen das Thema schon sehr ernst. Nun bin ich allerdings auch kein Brandschutzexperte. Deshalb haben wir uns mehrfach mit versierten Experten ausgetauscht. Ohne auf Details einzugehen: Aus rein fachlicher Sicht erscheinen ihnen die meisten Berichte mehr als fragwürdig. Stutzig macht mich aber auch ein anderer Punkt. Ich engagiere mich seit vielen Jahren im Unternehmerbeirat der Gothaer Versicherung. Wie jede Versicherung betreibt sie akribisch Risikoanalysen. Eine Neubewertung oder eine neue Einstufung für Fassaden, die mit Polystyrol gedämmt wurden, ist dort absolut kein Thema. Das ist mir übrigens auch von keiner anderen Versicherung bekannt. Die werden ihre Gründe haben.
AFACE: Welchen Stellenwert hat in Ihrem Unternehmen die Fassadendämmung im Vergleich zu anderen Maßnahmen der energetischen Sanierung?
WILLI HULLMANN: Jede Sanierung beginnt bei uns mit einer umfangreichen Objektanalyse. Sie berücksichtigt den Zustand der Bausubstanz, der Gebäudetechnik, die Bauweise, den Anteil der Fensterflächen und vieles mehr. Dann schauen wir, mit welchen Maßnahmen wir wirtschaftlich vertretbar unsere Ziele am besten erreichen können. In der Regel übernimmt die Fassadendämmung bei unseren Bestandsbauten aus den 1950er, 60er und 70er Jahren eine Schlüsselfunktion. Das Institut für Wohnen und Umwelt IWU in Darmstadt hat kürzlich mit Blick auf die Dämmung der Gebäudehülle errechnet, dass etwa 50 Prozent des Spareffekts auf die Dämmung der Außenwände entfallen, ein Viertel auf die Dämmung des Daches. Die restlichen 25 Prozent werden jeweils zur Hälfte durch Wärmeschutzfenster und eine Dämmung des Kellers realisiert. Das entspricht in etwa auch unseren Erfahrungen.
AFACE: Was entgegnen Sie Kritikern, die neuerdings den Weg der energetischen Sanierung im Wohngebäudebestand grundsätzlich in Frage stellen?
»Wenn wir das Projekt Klimaschutz wirklich ernst nehmen, führt an der umfassenden energetischen Sanierung des Wohngebäudebestandes kein Weg vorbei.«
WILLI HULLMANN: Ich frage sie nach einer vernünftigen Alternative. Und ich habe bis heute noch nicht eine einzige wirklich überzeugende Antwort bekommen. Ich sage Ihnen, wenn wir das Projekt Klimaschutz wirklich ernst nehmen, dann führt an der umfassenden energetischen Sanierung des Wohngebäudebestandes kein Weg vorbei. Über 60 Prozent der Energie in Deutschland werden in Gebäuden verbraucht. Gleichzeitig verfügen wir über sehr effektive Technologien, um notwendige Einsparungen in den kommenden Jahrzehnten umfassend zu realisieren und Gebäude auch mit hohem architektonischem Anspruch zu gestalten und ihren Wohnwert zu verbessern. Diese Chance nicht zu nutzen, halte ich für unverantwortlich.
AFACE: Herr Hullmann, wir danken Ihnen für das Gespräch!